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Marke 4.0

Wie Unternehmen zu digitalen Markenchampions werden

von Franz-Rudolf Esch (Autor:in)
259 Seiten

Zusammenfassung

Professor Dr. Franz-Rudolf Esch gilt als „Markenpapst“. Als Gründer von ESCH.The Brand Consultants berät er renommierte Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen in Fragen der Markenführung, Strategie und Kommunikation. Franz-Rudolf Esch ist Direktor des Instituts für Marken- und Kommunikationsforschung der EBS Business School. Die Digitalisierung verändert das Spielfeld für Manager. Das „Survival of the Fittest“ geht in die digitale Runde. Wer sich mit seiner Marke nicht anpasst, läuft Gefahr, vom Markt zu verschwinden. Wandel braucht allerdings Haltung. Manager müssen wissen, warum es ihre Marke gibt, wofür diese steht und welchen Zielhafen sie damit anstreben. Purpose, Markenidentität und Vision geben die Richtung vor. Manager können die Digitalisierung zur Entwicklung neuer Geschäftsmodelle sowie Interaktions- und Kommunikationsformen für Kunden nutzen. Die Digitalisierung ist dabei Mittel, kein Zweck. Letztendlich geht es immer darum, mit der Marke Kundenbedürfnisse besser zu befriedigen als Wettbewerber. Dabei sind die digitale und die reale Welt wirksam miteinander zu verknüpfen, um sich als Marke nahtlos in das Leben der Kunden zu integrieren.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


3Kapitel I. Eine kleine Reise mit der Zeitmaschine

Die Zukunft hat viele Namen. Für die Schwachen ist sie unerreichbar. Für die Verzagten ist sie unbekannt. Für die Kühnen ist sie ideal.

Victor Hugo

Im großen Jahresrückblick der Wochenzeitung „Die Zeit“ für das Jahr 2017 faszinierte mich eine Abbildung, die sinnbildlich für die derzeitige Entwicklung durch Digitalisierung und künstliche Intelligenz steht. Es ging um die Frage, wer einem zuhause zuhört (Abbildung 1).

Sicherlich kann der ein oder andere von Ihnen nachvollziehen, dass es weniger die eigenen Kinder oder der Ehepartner sind – Ausnahmen gibt es immer! Würden Sie als Hundebesitzer Ihren Hund in der Pole Position sehen, sprächen sicherlich gute Gründe dafür, etwa Leckerlis zur Belohnung. Allerdings waren Hunde und Katzen als Option nicht aufgeführt. Stattdessen führte unangefochten die aufmerksame Alexa von Amazon als interessierte Zuhörerin das Feld an.1

Alexa erfüllt Ihnen jeden Wunsch: Auf Wunsch dimmt sie das Licht, streamt eine Playlist mit Ihrer Wunschmusik, nimmt Bestellungen auf und informiert Sie über Wetter und Uhrzeit. Und dies ohne zu

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Abbildung 1: Wer hört Ihnen zuhause zu?

4zögern oder zu murren. Willkommen in der Zukunft. Was früher nur in Science-Fiction-Filmen vorstellbar war, ist heute gelebte Realität.

Hätten wir eine Zeitmaschine, könnten wir uns beliebig zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft bewegen. Stellen Sie sich vor, Sie könnten die Veränderung der Welt wie Michael J. Fox in dem Film „Zurück in die Zukunft“ in einer solchen Zeitmaschine erleben. Sie wären sprachlos von der Geschwindigkeit des Wandels in den letzten Jahrzehnten.

Ein Beispiel: Am 21. September 1983 bekam der US-Konzern Motorola die Zulassung für das erste kommerziell vertriebene Mobiltelefon der Welt mit dem Namen DynaTAC 8000x. Dieses Mobiltelefon hatte eine markante „Knochen“-Form und wurde zum Design-Klassiker (Abbildung 2). 1984 hielten die ersten Kunden das DynaTAC 8000x in der Hand. Mit einem Gewicht von knapp 800 Gramm und einer Höhe von 25 Zentimeter – ohne Antenne – war es nicht für die Hosentasche geeignet. Der stolze Preis von 3.995 Dollar schloss eine Verbreitung im Massenmarkt aus. Dafür bekam man rund eine halbe Stunde Gesprächszeit und einen Speicher für 30 Telefonnummern. War der Akku leer, musste er zehn Stunden lang aufgeladen werden. Dennoch war es eine Revolution: Die bisherigen „Mobiltelefone“ waren fest in Autos verbaut oder mussten wie ein Koffer getragen werden.2

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Abbildung 2: Zur Erinnerung: das erste „Mobil“telefon

Es war eine Zeit, in der Briefe und Faxe der Standard der Kommunikation waren. Niemanden störte es wirklich, wenn nicht prompt eine 5Antwort zurückkam. Das ist heute undenkbar. Eine Antwort, die nicht am gleichen Tag erfolgt, wird als Indikator für Desinteresse gewertet. In den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts saß ich als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Konsum- und Verhaltensforschung der Universität des Saarlandes an einem Großrechner, um statistische Auswertungen für Studien durchzuführen oder Expertensysteme zu programmieren. Am nächsten Morgen konnte ich im Rechenzentrum der Universität die Ausdrucke mit den Ergebnissen abholen. War ein Befehl falsch eingegeben, konnte man das Prozedere von vorne beginnen und eine weitere Nacht auf das Ergebnis warten. Erzählen Sie dies heute einmal einem jungen Studenten oder Doktoranden. Sie würden auf Unverständnis stoßen. Heute ist das Gleiche auf jedem Notebook innerhalb von Sekunden machbar.

Anpassung ist ein schleichender Prozess. Wir sind uns dessen oft nicht bewusst.

Viele von Ihnen können sich noch an Zeiten erinnern, in denen die Eltern den Kindern im Restaurant Malstifte und ein Blatt Papier in die Hand drückten, um in Ruhe essen zu können. Heute dient das Smartphone mit einem spannenden Kinderfilm als Ersatz – und es wirkt. Wenn Sie heute Kindern ein altes Wähltelefon, einen Kassettenrekorder oder einen Walkman in die Hand drücken, werden Sie auf Unverständnis stoßen: Wer mit Touchscreens und „Wischen“ groß wird, drückt keine Tasten mehr.

Wir können uns heute ein Leben ohne Smartphone kaum noch vorstellen. Und es wäre unvorstellbar, dass es nicht in unsere Hosentasche passt. Das Smartphone ist unser Tor zur Welt, unser mobiler Arbeitsplatz, unsere Unterhaltungsquelle. Es dient dazu, dass wir mit Fotos festhalten, was wir gerade sehen und umgehend mit Freunden teilen.

Auf die Frage „Worauf würden Sie lieber ein Jahr lang verzichten als auf Ihr Mobiltelefon?“ wurden folgende Antworten gegeben: Auf Essen gehen hätten 64 Prozent der Befragten verzichtet, auf das Haustier 51 Prozent, auf Urlaub 50 Prozent und bei der Gretchenfrage „Handy oder Sex“ hätten 38 Prozent der Befragten lieber ein Jahr lang ohne Sex gelebt als ohne Handy (Abbildung 3).3 Willkommen in der digitalen Welt!

Anpassung ist ein schleichender Prozess, im Zeitraffer fallen einem allerdings die Veränderungen wie Schuppen von den Augen.

Abbildung 3: Handy oder Sex?

Die Digitalisierung macht in vielen Bereichen das Leben einfacher, leichter, besser und schöner. Für Marken kann die Digitalisierung ein Sprungbrett sein, um Kundenbedürfnisse besser zu befriedigen. Marken, die es verpassen, sich anzupassen, laufen Gefahr, für Menschen bedeutungslos zu werden. Ein erster, ohne Frage grober Indikator dafür sind Markenwertrankings.

Menschen nutzen das, was ihnen das Leben einfacher, leichter, besser und schöner macht.

Markenwertrankings als Spiegel der Veränderung. Reisen wir in der Zeitmaschine in das Jahr 2000, führte Coca-Cola das Ranking der wertvollsten Marken der Welt an, Nokia lag auf Rang fünf. Die großen Vier Amazon, Facebook, Google und ­Apple steckten entweder noch in den Kinderschuhen, waren wie Facebook noch gar nicht auf der Welt oder rangierten unter „ferner liefen“. Im Jahr 2007 war das Ranking noch sehr ähnlich, die Stabilität der ersten Plätze zeugte von einer klaren Dominanz der dort gelisteten Marken, allen voran mit Coca-Cola und wiederum mit Nokia auf Rang fünf. Sie alle wissen, warum ich ausgerechnet das Jahr 2007 als Referenz nehme: Es ist die Geburtsstunde des ­iPhone. Der Tag, an dem Steve Jobs „another big thing“ ankündigte und auf der Bühne zelebrierte, was dieses kleine Gerät alles konnte. Das iPhone war ein game changer. Das Unternehmen rangierte zu diesem Zeitpunkt noch nicht unter den top ten der wertvollsten Marken der Welt.

Im Jahr 2018 zeigt sich die Welt der wertvollsten Marken in anderem Licht. Apple ist die unangefochtene Nummer eins, gefolgt von Google und Amazon, Microsoft und Samsung folgen mit Abstand auf den nächsten Plätzen und Facebook nimmt Rang neun für sich in Anspruch: Tech-Konzerne dominieren das Ranking (Abbildung 4).

Abbildung 4: Markenwertranking im Jahr 2000, 2007 und 2018

Von der alten Welt der Konsumgüter ist Coca-Cola die einzige verbliebene Marke, allerdings mit deutlichem Wertverlust. Gerade einmal zwei Automobilhersteller, Toyota und Mercedes-Benz, schaffen es unter die top ten.

Die Digitalisierung hat das Ranking der stärksten Marken der Welt grundlegend verändert. Tech-Companies dominieren.

Diese lösen bei Kunden durch die bessere Befriedigung von Bedürfnissen mittels neuer Technologien positive Gefühle aus, die auf die Marke übertragen werden.

Zwei Beispiele dazu: Das iPhone ist der Prototyp des Smartphones und steht für eine gewisse Denkhaltung und Einstellung, die durch Steve Jobs geprägt wurde. Smartphones sind heute unsere Lebensbegleiter. Wir schauen im Durchschnitt alle 18 Minuten auf unser Handy.4 Ohne Smartphone fühlen sich viele Menschen unwohl. Smartphones verändern unser Straßenbild wie kaum ein anderes Produkt. Es ist für uns heute selbstverständlich, dass Menschen mit ihrem Smartphone in gebückter Haltung durch Straßen laufen und sich in öffentlichen Verkehrsmitteln darin vertiefen und abschotten. Städte reagieren, indem sie Fußgängerampeln möglichst weit unten quasi auf Wadenhöhe platzieren, so dass sie mit gesenktem Kopf wahrnehmbar sind. Heute passieren schon mehr Autounfälle durch Nutzung des Smartphones als durch Trunkenheit am Steuer oder durch Drogenkonsum.

8Wir sind uns dieser Entwicklungen oft nicht bewusst. Erst der Zeitraffer zeigt die Sprünge, die wir in der Entwicklung gemacht haben. Die Inauguration der letzten beiden Päpste verdeutlich dies: Bei der Inauguration von Papst Benedikt XVI im Jahr 2005 war auf dem Peters­platz in Rom von Handys keine Spur zu sehen, bei der Inaugura­tion des Papstes Franziskus im Jahr 2013 war der Petersplatz voll mit Menschen, die dieses Ereignis mit ihrem Handy aufnahmen (Abbildung 5).

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Abbildung 5: Inauguration der Päpste 2005 und 2013

Vor 20 Jahren war Google den meisten Menschen kein Begriff. Heute ist ein Tag ohne Google kaum vorstellbar. Im Durchschnitt gibt es 140 Millionen Suchanfragen am Tag in Deutschland.5 Google macht 9uns das Leben leichter, es ist zu einem unverzichtbaren Teil unseres Lebens geworden.

Von Nokia lernen: Nokia musste am eigenen Leib erfahren, wie radikal der Wandel durch die Digitalisierung und die daraus resultierenden Chancen und Risiken für Unternehmen sind. Lange Jahre unter den top ten der wertvollsten Marken, wurde das iPhone dem finnischen Handygiganten zum Verhängnis. Das iPhone revolutionierte den Markt für Mobiltelefone, Nokia rutschte in der Gunst der Kunden ab. Dies reflektiert sich auch im Ranking: 2014 schaffte es Nokia gerade noch auf Rang 98, seit 2015 wurde Nokia nicht mehr unter den Top 100 gelistet.

Der Untergang der Marke Nokia verlief schleichend. Hätte Nokia diesen schleichenden Verfall verhindern können? Nun, im Nachhinein ist man immer schlauer, aber ohne Frage wäre dies möglich gewesen. An der Technologie hat es jedenfalls nicht gelegen. Dies war alles bei Nokia verfügbar. Die Marktreife neuer Geräte wäre ein machbarer Schritt gewesen. Es gab einen anderen Grund für diesen Niedergang: Mein Kollege und Change-Guru John P. Kotter spricht in solchen Fällen von dem typischen Muster der Selbstgefälligkeit der Manager.6 Aufgrund langjähriger Erfolge wird man satt und sieht die Zeichen der Zeit nicht, sondern wägt sich in Sicherheit. Dies ist das größte Hemmnis für notwendige Veränderungen in Unternehmen. Dazu mehr in Kapitel 2.

Aus Markensicht stellt sich aber eine andere, wesentliche Frage: Hätte die Marke als Schutzschirm für notwendige Veränderungsprozesse dienen und dem Management den notwendigen Zeitpuffer geben können, um diesen Wandel zu vollziehen? Aus unserer Forschung weiß ich, dass starke Marken als Schutzschirm in Krisen dienen. Kunden verzeihen einer starken Marke mehr als einer schwachen Marke.7 Volkswagen lässt grüßen. Das Unternehmen hat die Dieselkrise nicht zuletzt durch die Reputation der Marke gut überstanden. Je besser das Management dann Unternehmen und Marke durch die Krise navigiert, umso gestärkter geht die Marke aus der Krise hervor.

Details

Seiten
259
ISBN (ePUB)
9783800659418
ISBN (PDF)
9783800659418
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2019 (Dezember)
Schlagworte
Digitalisierung Markenerfolg Markenführung Markenidentität Markenwert

Autor

  • Franz-Rudolf Esch (Autor:in)

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