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Leading Change

Wie Sie Ihr Unternehmen in acht Schritten erfolgreich verändern

von John P. Kotter (Autor:in) Werner Seidenschwarz (Übersetzung)
158 Seiten

Zusammenfassung

John P. Kotters wegweisendes Werk Leading Change erschien 1996 und zählt heute zu den wichtigsten Managementbüchern überhaupt. Es wurde in zahlreiche Sprachen übersetzt und millionenfach verkauft.

Der Druck auf Unternehmen, sich den permanent wandelnden internen und externen Einflüssen zu stellen, wird weiter zunehmen. Dabei gehört ein offener, aber professionell geführter Umgang mit Change-Prozessen zu den Wesensmerkmalen erfolgreicher Unternehmen im 21. Jahrhundert und zu den größten Herausforderungen in der Arbeit von Führungskräften.

Einer der weltweit renommiertesten Experten auf diesem Gebiet hat basierend auf seinen Erfahrungen aus Forschung und Praxis einen visionären Text geschrieben, der zugleich inspirierend und gefüllt ist mit bedeutenden Implikationen für das Change-Management.

Leading Change zeigt Ihnen, wie Sie Wandlungsprozesse in Unternehmen konsequent führen. Beginnend mit den Gründen, warum viele Unternehmen an Change-Prozessen scheitern, wird im Anschluss ein Acht-Stufen-Plan entwickelt, der Ihnen hilft, pragmatisch einen erfolgreichen Wandel zu gestalten.

Wenn Sie wissen möchten, warum Ihre letzte Change-Initiative scheiterte, dann lesen Sie dieses Buch am besten gleich, sodass Ihr nächstes Projekt von Erfolg gekrönt wird.
Ralf Dobelli, getabstract.com

Leading Change is simply the best single work I have seen on strategy implementation.
William C. Finnie, Editor-in-Chief Strategy & Leadership

Leading Change ist ein weltweiter, zeitloser Bestseller.
Werner Seidenschwarz, Seidenschwarz & Comp.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Zum Inhalt:

Der Druck auf Unternehmen, sich den permanent wandelnden internen und externen Einflüssen zu stellen, wird weiter zunehmen. Dabei gehört ein offener, aber professionell geführter Umgang mit Change-Prozessen zu den Wesensmerkmalen erfolgreicher Unternehmen im 21. Jahrhundert und zu den größten Herausforderungen in der Arbeit von Führungskräften.

Einer der weltweit renommiertesten Experten auf diesem Gebiet hat basierend auf seinen Erfahrungen aus Forschung und Praxis einen visionären Text geschrieben, der zugleich inspirierend und gefüllt ist mit bedeutenden Implikationen für das Change-Management.

„Leading Change“ zeigt Ihnen, wie Sie Wandlungsprozesse in Unternehmen konsequent führen. Beginnend mit den Gründen, warum viele Unternehmen an Change-Prozessen scheitern, wird im Anschluss ein Acht-Stufen-Plan entwickelt, der Ihnen hilft, pragmatisch einen erfolgreichen Wandel zu gestalten.

„Wenn Sie wissen möchten, warum Ihre letzte Change-Initiative scheiterte, dann lesen Sie dieses Buch - am besten gleich, sodass Ihr nächstes Projekt von Erfolg gekrönt wird.“ Ralf Dobelli, getabstract.com

„Leading Change is simply the best single work I have seen on strategy implementation.“

William C. Finnie, Editor-in-Chief Strategy & Leadership

„Leading Change ist ein weltweiter, zeitloser Bestseller.“

Werner Seidenschwarz, Seidenschwarz & Comp.

Zum Autor:

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John P. Kotter ist Absolvent des MIT und der Harvard University. Im Jahr 1972 wurde er Mitglied der Fakultät der Harvard Business School und erhielt dort bereits im Alter von 33 Jahren eine lebenslange Professur. Seine Bücher wurden in über 70 Sprachen übersetzt und millionenfach verkauft. John P. Kotter gilt als Doyen des Change-Managements.

Leading Change

Wie Sie Ihr Unternehmen
in acht Schritten erfolgreich verändern

John P. Kotter

Aus dem Amerikanischen übersetzt
von Werner Seidenschwarz

Verlag Franz Vahlen München

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Vorwort des Übersetzers

Teil I: Leading Change – Den Wandel führen

Kapitel 1: Unternehmenswandel: Warum Unternehmen scheitern

Kapitel 2: Erfolgreicher Wandel und die Kraft, die ihn antreibt

Teil II: Der Acht-Stufen-Prozess

Kapitel 3: Ein Gefühl für Dringlichkeit erzeugen

Kapitel 4: Eine Führungskoalition aufbauen

Kapitel 5: Vision und Strategie entwickeln

Kapitel 6: Die Vision des Wandels kommunizieren

Kapitel 7: Mitarbeiter auf breiter Basis befähigen

Kapitel 8: Schnelle Erfolge erzielen

Kapitel 9: Erfolge konsolidieren und weitere Veränderungen einleiten

Kapitel 10: Neue Ansätze in der Kultur verankern

Teil III: Konsequenzen für das 21. Jahrhundert

Kapitel 11: Das Unternehmen der Zukunft

Kapitel 12: Leadership und lebenslanges Lernen

VVorwort

Im Sommer 1994 schrieb ich einen Artikel für den Harvard Business Review (HBR) mit dem Titel „Leading Change: Why Transformation Efforts Fail“ (dt.: Den Wandel führen: Warum Transformationsbemühungen scheitern). Dieser Artikel basierte auf meiner Analyse Dutzender Initiativen, die in den vergangenen fünfzehn Jahren durch Restrukturierung, Reengineering, neue Strategien, Akquisitionen, Verschlankung, Qualitätsprogramme und kulturelle Erneuerung signifikante und sinnvolle Veränderungen in den Unternehmen bewirkten.

Als ich den Artikel beendet hatte, wusste ich, dass ich mehr zu dem Thema schreiben wollte. Und so begann ich kurz darauf mit der Arbeit an diesem Buch. Der Artikel „Leading Change“ wurde in der März-/April-Ausgabe 1995 des HBR veröffentlicht. Kurz nach dem Erscheinen kletterte der Beitrag auf Platz eins unter den Tausenden von Nachdrucken dieser Zeitschrift. Dies ist erstaunlich im Hinblick auf die hohe Qualität der insgesamt verfügbaren Nachdrucke und auf die normalerweise lange Zeitspanne, die nötig ist, um ausreichend Volumen für Nachdrucke zu bekommen.

Außergewöhnliche Ereignisse wie diese sind immer schwer zu erklären, aber Gespräche und Korrespondenzen mit HBR-Lesern legten nahe, dass der Artikel in zwei Punkten den Nerv der Zeit getroffen hatte. Einerseits lasen die Manager die Liste der Fehler, die Organisationen oft machen, wenn sie versuchen, wirkliche Veränderung zu schaffen, und sagten: „Ja! Aus diesen Gründen haben wir weniger erreicht, als wir erhofften.“ Zum anderen überzeugte die Leser das „Acht-Stufen-Rahmenkonzept für den Wandel“. Es war ein sinnvoller Wegweiser und half den Menschen, über Wandel, Probleme mit Veränderungen und über Veränderungsstrategien zu sprechen.

Beim Schreiben dieses Buches habe ich versucht, auf diese beiden Eigenschaften aufzubauen und noch einige weitere hinzuzufügen. Im Gegensatz zum Artikel beinhaltet dieses Buch nun zahlreiche Beispiele, die aufzeigen, was zu funktionieren scheint und was nicht.

Diesbezüglich ist es pragmatischer und praxistauglicher angelegt. Weiterhin ist es mir ein Anliegen, den Faktor „Leadership“ (also das Führen) als Motor des Wandels explizit aufzugreifen und seine Verknüpfung mit der klassischen „reinen Managementdenke“ (also dem Managen), unabhängig von der Qualität der involvierten Personen, herauszuarbeiten, da ohne Leadership jeder fundamentale und nachhaltige Wandel unweigerlich zum Scheitern verurteilt ist. Schließlich habe ich den untersuchten Zeitraum erweitert und zeige, wie Ereignisse des vergangenen Jahrhunderts uns zu diesem VIPunkt brachten und untersuche Auswirkungen auf das 21. Jahrhundert.

Wer mit meiner Arbeit vertraut ist, wird feststellen, dass dieses Werk einige Ansätze meiner Veröffentlichungen „A Force For Change: How Leadership Differs from Management“ (dt.: Abschied vom Erbsenzähler, Econ-Verlag, 1991), „Corporate Culture and Performance“ (dt.: Die ungeschriebenen Gesetze der Sieger. Erfolgsfaktor Firmenkultur, Econ-Verlag, 1993) und „The New Rules: How to Succeed in Today’s Post-Corporate World“ (dt.: Die neuen Spielregeln für die Karrieren. Erfolg in der Zeit nach den Großkonzernen, Ueberreuter Verlag, 1995) integriert und vertieft.

Obwohl dieses Buch eine logische Erweiterung meiner vorangegangenen Arbeiten ist, weicht es unter formalen Aspekten von diesen ab. Im Gegensatz zu meinen früheren Büchern beinhaltet „Leading Change“ keine Fußnoten und kein umfangreiches Glossar. Ich habe weder auf Beispiele noch auf vorhandene Ansätze aus anderen Quellen – außer meinen eigenen – zurückgegriffen. Ich habe auch keine Zitate aus anderen Quellen verwendet, um meine Schlussfolgerungen zu stützen. In diesem Sinne ist diese Arbeit persönlicher, als die von mir bereits veröffentlichten. Ich kommuniziere hier, was ich gesehen, gehört und aufgrund einer Reihe von verknüpften und immer wichtiger werdenden Themen geschlussfolgert habe.

Mehrere Personen haben den Entwurf dieses Buches gelesen und mir hilfreiche Anregungen gegeben. Zu ihnen gehören Darrell Beck, Mike Beer, Richard Boyatzis, Julie Bradford, Linda Burgess, Gerald Czarnecki, Nancy Dearman, Carol Franco, Alan Frohman, Steve Guengerich, Robert Johnson, Jr., Carl Neu, Jr., Charlie Newton, Barbara Roth, Len Schlesinger, Sam Schwab, Scott Snook, Pat Tod, Gayle Treadwell, Marjorie Williams und David Windom. Einige andere haben mich sehr bei den Vorarbeiten zum Manuskript inspiriert, insbesondere Ed Schein und Paul Lawrence. Mein Dank geht an alle.

VIIVorwort des Übersetzers

„Leading Change“ von John Kotter ist ein weltweiter, zeitloser Bestseller.

John Kotter ist eine beeindruckende Persönlichkeit. Wer ihn selbst erlebt hat, wird dies bestätigen. 2001 war ich nach San Diego zu einem Vortrag auf einer Veranstaltung mit 700 Teilnehmern eingeladen. Kurz bevor der Moderator auf dem Kongress mich dem Plenum vorstellte, gab er in einer Vorankündigung bekannt, dass John Kotter persönlich nicht anwesend sein würde. Ich war etwas enttäuscht. Bis zu seinem Beitrag. Er wurde über Video eingeblendet, hielt aber nicht nur einen Vortrag, sondern entwickelte seinen Beitrag „aus der Ferne“ nach und nach als Gruppenarbeit zum Veränderungsmanagement. Das erlebt man in dieser Art und Weise nicht alle Tage ...

Zu dieser Zeit hatte ich gerade meine eigene Habilitation zum Thema Veränderungsmanagement fertig gestellt und war tief in die facettenreiche Materie des Change Management eingetaucht. Da war es besonders faszinierend zu sehen, wie einfach und interaktiv dieser Mann die komplexen Botschaften systematischen Veränderungsmanagements auch in große Gruppen hinein transportieren konnte.

Als deshalb der Verlag Vahlen anfragte, ob ich dieses Buch von John Kotter ins Deutsche übersetzen möchte, habe ich keinen Moment gezögert, diese Aufgabe zu übernehmen, mit tatkräftiger Unterstützung meiner beiden Kollegen Dominik Veit und Sacha Rezzadori von Seidenschwarz & Comp.

Wir haben nicht versucht, das Buch von seinem amerikanischen Grundcharakter zu befreien und sprechen deshalb beispielsweise nicht von Wolfsburg, wenn John Kotter ein Beispiel aus Detroit aufgreift. Auf wenigen Seiten merkt man auch, dass das Buch viel „Erfahrung“ ausstrahlt, wenn es an einer Stelle zum Beispiel auf den weltweiten Zusammenbruch des Kommunismus zu sprechen kommt. Da haben wir uns nah an die Vorlage gehalten, um dem Wunsch des Autors zu entsprechen und keine Veränderungen vorzunehmen. Das mag, gerade dem deutschen Leser, punktuell ins Auge stechen. Es nimmt dem Werk jedoch nichts von der Faszination seiner stringenten Logik.

Manchmal könnte man sich zu der Annahme verleiten lassen, dass John Kotter dem Leser, bspw. einer Führungskraft in der Unternehmenspraxis, den Eindruck vermitteln möchte, man könne Veränderungen in den Unternehmen einfach so steuern. Bei genauerem Hinsehen erkennt man aber, dass man nicht in diese Versuchung geraten sollte. Kotters Erklärungsansatz betont zwar wiederkehrend die Bedeutung des Leadership. Und mit VIIIdiesem Konzept des Leadership verdeutlicht er dann auch sehr wohl, wie man im Rahmen seines weltberühmten Acht-Stufen-Prozesses einen Wandel führen kann. Aber es sollte einem immer bewusst bleiben, dass sich nicht alles im Unternehmen omnipotent steuern lässt.

Mit diesem Ansatz des Buches und aufbauend auf diesem Verständnis haben wir in der täglichen Projektarbeit unseres Unternehmens und in Führungsseminaren für die obersten Führungsebenen internationaler Konzerne außergewöhnlich positive Erfahrungen gemacht. Diese positiven Erfahrungen wünschen wir auch allen Lesern dieses Werkes.

Starnberg, im Juli 2011

Werner Seidenschwarz

1Teil I:
Leading Change – Den Wandel führen

3Kapitel 1: Unternehmenswandel: Warum Unternehmen scheitern

Objektiv betrachtet, hat die Menge an bedeutenden, oft traumatischen Veränderungen in Organisationen besonders in den vergangenen zwei Jahrzehnten enorm zugenommen. Auch wenn einige Leute prophezeien, dass Reengineering, neue Strategien, Fusionen, Downsizing, Qualitätsaufwendungen und kulturelle Neuausrichtungen bald verschwinden werden, denke ich, dass dies sehr unwahrscheinlich sein wird. Starke makroökonomische Kräfte sind hier am Werk und diese können sich in den nächsten Jahrzehnten noch verstärken. Als Resultat werden immer mehr Unternehmen dazu gezwungen, Kosten zu reduzieren, die Qualität der Produkte und Dienstleistungen zu steigern, neue Wachstumschancen ausfindig zu machen und die Produktivität zu steigern. Sicherlich gab es Fälle, in denen große Veränderungsbemühungen einigen Unternehmen geholfen haben, sich signifikant den veränderten Bedingungen anzupassen, die Wettbewerbsposition zu verbessern und sich für eine wesentlich bessere Zukunft auszurichten. In zu vielen Situationen allerdings waren die Verbesserungen enttäuschend und führten zu einem unheimlichen Gemetzel, mit verschwendeten Ressourcen und ausgebrannten, verängstigten oder frustrierten Mitarbeitern. Bis zu einem gewissen Grad ist die Kehrseite des Wandels unabwendbar. Wann immer von Menschen gebildete Gemeinschaften gezwungen sind, sich den veränderten Gegebenheiten anzupassen, ist Schmerz allgegenwärtig. Doch ein Großteil der Verschwendung und der Ängste, die wir im letzten Jahrzehnt beobachten konnten, ist vermeidbar. Wir haben viele Fehler gemacht, die häufigsten davon sind die folgenden.

Fehler Nr. 1: Zu viel Selbstgefälligkeit zulassen

Der bei weitem größte Fehler, der beim Versuch der Organisationsveränderung gemacht wird, ist, sich in die Veränderung zu stürzen, ohne genügend Dringlichkeit unter Führungskräften und Mitarbeitern zu schaffen. Dieser Fehler ist fatal, weil Transformationen niemals ihr Ziel erreichen können, wenn der Grad der Selbstgefälligkeit hoch ist.

Als Adrien zum Leiter der Abteilung für Spezialchemikalien eines großen Unternehmens wurde, sah er viele Probleme und Chancen am Horizont, die meisten davon waren das Ergebnis der Globalisierung seiner Industrie. Als erfahrener und selbstbewusster Abteilungsleiter arbeitete er 4Tag und Nacht an Dutzenden neuen Initiativen, um das Geschäft und die Marge in einem zunehmend umkämpften Markt auszubauen. Er realisierte, dass nur wenige in seiner Organisation die Gefahren und Möglichkeiten so klar sahen wie er selbst, aber er sah dies nicht als unüberwindbares Problem an. Schließlich konnte man sie anspornen, sie zwingen oder durch andere ersetzen. Zwei Jahre nach seiner Beförderung musste er mit ansehen, wie eine Initiative nach der anderen in einem Meer von Überheblichkeit unterging. Trotz seiner Anreize und Drohungen brauchte die erste Phase seiner neuen Produktstrategie so viel Zeit, dass die Reaktionen der Wettbewerber jeden essenziellen Vorteil zunichte machten. Er konnte für sein Reengineeringprojekt keine ausreichenden Unternehmensmittel sicherstellen. Eine Reorganisation wurde durch begabte Verzögerungstaktiker aus seiner Belegschaft zu Tode geredet. Frustriert gab Adrien seine eigenen Leute auf und kaufte ein viel kleineres Unternehmen, das bereits viele seiner Ideen erfolgreich ausführte. Danach wurde über zwei Jahre ein subtiler Kampf ausgefochten, bei dem er mit Staunen und Entsetzen beobachten musste, wie Leute mit geringem Dringlichkeitsgefühl aus seiner Abteilung nicht nur alle wichtigen Lektionen des letzten Zukaufs ignorierten, sondern auch die guten und bewährten Fähigkeiten der neuen Abteilung unterdrückten.

Intelligenten Menschen wie Adrien gelingt es aus unterschiedlichen, jedoch zusammenhängenden Gründen nicht, zu Beginn einer Geschäftstransformation erfolgreich Dringlichkeit zu erzeugen. Sie überschätzen die Möglichkeiten, große Veränderungen bei einem Unternehmen zu erzwingen. Dabei unterschätzen sie die Schwierigkeit, Menschen aus ihrer Bequemlichkeit zu holen. Sie erkennen nicht, wie das eigene Handeln unbeabsichtigt den Status quo verstärken kann. Es fehlt ihnen an Geduld: „Genug mit den Trockenübungen, lasst uns endlich anfangen.“ Die negativen Auswirkungen, die bei der Abschaffung der Selbstgefälligkeit entstehen können, wirken paralysierend auf sie: Menschen werden defensiv, Moral und kurzfristige Resultate lassen nach. Oder noch schlimmer, sie verwechseln Dringlichkeit mit Ängstlichkeit und indem sie letzteres verstärken, drängen sie Menschen immer tiefer in ihren Unterstand und schaffen so noch mehr Widerstand gegen die Veränderungen. Dieses Problem hätte heute keine große Bedeutung, wenn Selbstgefälligkeit in den meisten Organisationen weniger ausgeprägt wäre. Aber das Gegenteil ist der Fall. Zu viel Erfolg in der Vergangenheit, ein Mangel an sichtbaren Krisen, niedrige Leistungsstandards, unzureichende Rückmeldungen von externen Kundenkreisen und weitere Faktoren summieren sich zu folgenden Erklärungen: „Ja, wir haben unsere Probleme, aber die sind nicht so schlimm und ich mache meinen Job ganz gut“, oder: „Sicherlich haben wir große Probleme, aber die Ursachen liegen nicht bei uns.“ Ohne ein Gefühl der Dringlichkeit werden Menschen nicht den erforderlichen zusätzlichen Aufwand betreiben. Sie werden die notwendigen Opfer nicht erbringen. Stattdessen 5klammern sie sich an den Status quo und verweigern sich neuen Initiativen. Dies führt dazu, dass sich Reengineeringmaßnahmen festfahren, neue Strategien nicht richtig implementiert werden, Akquisitionen nicht richtig assimiliert werden, Verschlankungen sich nicht auf die größten Verschwendungen auswirken und Qualitätsprogramme zu oberflächlichem bürokratischem Gerede statt zu wirklicher Unternehmenssubstanz werden.

Fehler Nr. 2: Die Schaffung einer ausreichend starken Führungskoalition scheitert

Man sagt, dass tief greifender Wandel unmöglich ist, wenn der Chef des Unternehmens ihn nicht aktiv unterstützt. Was ich hier anspreche, geht weit darüber hinaus. Bei erfolgreichen Unternehmensumwandlungen ziehen der CEO, der Geschäftsführer oder die Abteilungsleiter und weitere fünf, fünfzehn oder fünfzig Leute mit der Verpflichtung zur Leistungsverbesserung gemeinsam als Team an einem Strang. Diese Gruppe beinhaltet jedoch in den seltensten Fällen die gesamte oberste Führungsmannschaft, da manche von ihnen, zumindest am Anfang, nicht voll hinter der Sache stehen. In den erfolgreichsten Fällen allerdings ist diese Koalition immer schlagkräftig – in Bezug auf formelle Titel, Information und Expertise, Reputation und Beziehungen – und fähig, zu führen. Individuen alleine, egal wie kompetent oder charismatisch sie auch sein mögen, verfügen nie über alle notwendigen Attribute, um Traditionen und Trägheit zu überwinden – außer vielleicht in sehr kleinen Organisationen. Schwache Komitees sind üblicherweise noch uneffektiver. Bestrebungen, die ohne eine ausreichend starke Führungskoalition durchgeführt werden, können eine Weile für erkennbaren Fortschritt sorgen. Die Organisationsstruktur kann geändert werden oder eine Reengineeringmaßnahme kann gestartet werden. Früher oder später werden jedoch gegensteuernde Kräfte diese Maßnahmen untergraben. In der Auseinandersetzung hinter den Kulissen, zwischen einer einzelnen Führungskraft oder einem schwachen Komitee und der Tradition, kurzfristigen Eigeninteressen und dergleichen, gewinnen fast immer letztere. Sie verhindern, dass der Strukturwandel die notwendigen Verhaltensänderungen hervorbringt. Sie blockieren Reengineering durch passiven Widerstand. Sie verwandeln Qualitätsprogramme in Quellen weiterer Bürokratie anstatt in Kundenzufriedenheit.

Als Leiterin der Personalabteilung einer großen US-amerikanischen Bank war Claire sich ihrer eingeschränkten Autorität bewusst und ihr war klar, dass sie nicht in einer guten Position war, um Initiativen außerhalb des Personalbereichs zu leiten.

Dennoch, mit wachsender Frustration über die Unfähigkeit ihres Unternehmens, auf neuen und stetig wachsenden Wettbewerbsdruck anders 6als nur mit Entlassungen zu reagieren, akzeptierte sie die Aufgabe, die Arbeitsgruppe „Qualitätsverbesserung“ als Vorsitzende zu leiten. Die darauf folgenden zwei Jahre wurden die schlimmsten in ihrer gesamten Karriere. An dieser Arbeitsgruppe nahm kein einziger der drei Top-Manager des Unternehmens teil. Nachdem bereits die Terminierung des ersten Meetings außergewöhnlich schwerfällig wurde – einige Gruppenmitglieder beschwerten sich über ihre hohe Auslastung – wusste sie, dass sie in Schwierigkeiten war. Es wurde danach nicht besser. Die Arbeitsgruppe wurde eine Karikatur aller schlechten Komitees: langsam, politisch, unangenehm. Die meiste Arbeit wurde durch eine kleine und engagierte Untergruppe erledigt. Andere Mitglieder und Vorgesetzte hingegen entwickelten wenig Interesse und Verständnis für die Bemühungen der Gruppe. So wurde so gut wie keine der abgegebenen Empfehlungen umgesetzt. Die Arbeitsgruppe dümpelte weitere achtzehn Monate vor sich hin und geriet dann in Vergessenheit.

Auch wenn der Grad der Selbstgefälligkeit niedrig ist, unterschätzen Unternehmen mit wenig Erfahrung in den Bereichen Transformation oder Teamarbeit die Notwendigkeit eines dedizierten Teams oder sie setzen voraus, dass dieses Team durch Abteilungsleiter aus den Bereichen Personal, Qualität oder Strategische Planung, und nicht durch einen Top-Manager, geführt werden kann. Egal wie fähig oder motiviert der Teamleiter auch ist, Führungskoalitionen ohne das Top-Management haben nicht die Durchsetzungskraft, um die oftmals existierende, massive Trägheit zu überwinden.

Fehler Nr. 3: Die Kraft der Vision unterschätzen

Dringlichkeit und ein starkes Führungsteam sind notwendige, aber nicht ausreichende Voraussetzungen für tief greifenden Wandel. Von den weiteren Elementen, die zu einer erfolgreichen Transformation gehören, ist keines wichtiger als eine sinnvolle Vision. Die Vision spielt eine Schlüsselrolle bei der Durchführung sinnvollen Wandels, indem sie hilft, die Aktionen vieler Menschen zu lenken, anzupassen und zu inspirieren. Ohne angemessene Vision kann sich eine Transformationsbestrebung schnell in eine Liste von verwirrenden, inkompatiblen und zeitaufwändigen Projekten auflösen, die in die falsche oder sogar in keine Richtung gehen. Ohne eine vernünftige Vision würden das Reengineeringprojekt in der Buchhaltung, die neue 360-Grad-Leistungsbeurteilung in der Personalabteilung, das Qualitätsprogramm in der Fabrik und die kulturellen Änderungen im Vertrieb nicht sinnvoll zusammenpassen, oder es würde nicht genug Energie freigesetzt, um irgendeine der Initiativen ordnungsgemäß umzusetzen.

Weil sie die Schwierigkeiten des Wandels sehen, versuchen manche Menschen, die Ereignisse still und heimlich hinter den Kulissen zu manipulieren, 7um dadurch öffentliche Diskussionen über die zukünftige Richtung zu vermeiden. Aber ohne eine Vision, durch die eine Entscheidungsfindung geleitet wird, kann sich jeder Beschluss in einer endlosen Diskussion auflösen. Die kleinste Entscheidung kann einen erbitterten Streit herbeiführen, der Energie raubt und die Moral zerstört. Bedeutungslose taktische Schritte können Diskussionen dominieren und wertvolle Stunden vergeuden.

Bei vielen gescheiterten Transformationen finden Sie Pläne und Programme, die als Vision dienen sollen.

Als sogenannter „Qualitäts-Zar“ für ein Kommunikationsunternehmen investierte Conrad viel Zeit und Geld in die Produktion von dicken Handbüchern, die seine Wandelbestrebungen bis ins kleinste Detail beschrieben. Die Bücher enthielten Prozeduren, Ziele, Methoden und Deadlines. Aber nirgendwo fand sich eine klare und fesselnde Aussage darüber, wohin dies alles führen sollte. Kein Wunder, dass die meisten seiner Mitarbeiter, nachdem er Hunderte dieser Handbücher verteilte, mit Verwirrung oder Entfremdung reagierten. Die großen dicken Bücher brachten sie weder zusammen noch inspirierten sie den Wandel. Wahrscheinlich erreichten sie nur das Gegenteil.

Bei erfolglosen Transformationsbestrebungen hat das Management manchmal durchaus Gespür für die Richtung, allerdings ist diese zu kompliziert oder unscharf. Letztens fragte ich den Manager einer mittelständischen Fertigung, mir seine Vision zu beschreiben, und ich erhielt von ihm einen kaum verständlichen 30-minütigen Vortrag. Er sprach über Akquisitionen, die er hoffte, durchführen zu können, eine neue Marketingstrategie für eines der Produkte, seine Definition von „Customer First“, seine Pläne über die Einstellung einer neuen Führungskraft von außen, Gründe für die Schließung des Büros in Dallas und vieles mehr. Begraben unter all diesen Informationen waren die grundlegenden Aussagen über die zukünftige Richtung. Aber sie waren sehr tief verschüttet.

Eine nützliche Faustregel: Wenn man die Vision einer Veränderungsmaßnahme nicht in fünf Minuten (oder weniger) beschreiben kann und darauf eine Reaktion bekommt, die Verständnis und Interesse signalisiert, dann wird man mit Sicherheit Schwierigkeiten bekommen.

Fehler Nr. 4: Mangelnde Kommunikation der Vision um einen Faktor 10 (oder 100 oder sogar 1 000)

Tief greifender Wandel ist normalerweise unmöglich, wenn nicht alle Mitarbeiter gewillt sind, zu unterstützen, oftmals auch durch kurzfristige Opfer.

Auch wenn Menschen mit dem Status quo unzufrieden sind, werden sie keine Opfer bringen, solange sie nicht davon überzeugt sind, dass die Vorteile des Wandels überwiegen und die Transformation auch tatsächlich 8durchführbar ist. Ohne eine intensive und glaubwürdige Kommunikation werden Herz und Verstand der Mitarbeiter nicht für die Sache gewonnen.

Es existieren drei ineffiziente Kommunikationsmuster, die durch die Gewohnheit während stabiler Zeiten entstehen:

Im ersten Muster entwickelt eine Gruppe eine gute Vision für die Transformation und versucht, diese dann nur durch ein paar Meetings oder durch Versendung einiger weniger Protokolle „zu verkaufen“. Die Mitglieder dieser Gruppe, obwohl sie nur einen kleinen Teil der jährlichen unternehmensinternen Kommunikation zur Vermittlung genutzt haben, reagieren überrascht, wenn Mitarbeiter den neuen Ansatz nicht sofort zu verstehen scheinen.

Beim zweiten Muster investiert der Kopf der Organisation viel Zeit in Vorträge an Mitarbeitergruppen, in denen die meisten Manager bemerkenswert ruhig sind. In diesem Fall erhält die Vision zwar bedeutend mehr Kommunikationszeit als im ersten Fall, aber der Umfang ist immer noch nicht ausreichend.

Beim dritten Muster wird viel Zeit und Aufwand für Newsletter und Reden aufgewandt, aber einige, für alle deutlich, sichtbare Persönlichkeiten verhalten sich nach wie vor im Widerspruch zur angekündigten Vision, sodass der Zynismus unter den Beschäftigten wächst und der Glaube an die neue Botschaft verblasst.

Einer der besten CEOs, die ich kenne, gibt zu, dass er hierbei in den frühen Achtzigern versagt hat. „Zu der Zeit“, sagte er mir, „sah es so aus als würden wir sehr viel Aufwand in die Kommunikation der Ideen stecken. Aber einige Jahre später erkannten wir, dass wir meilenweit davon entfernt waren. Schlimmer noch, wir trafen hin und wieder Entscheidungen, die andere als inkonsistent zu unserer Kommunikation ansahen. Ich bin sicher, dass einige Mitarbeiter dachten, wir wären ein Haufen heuchlerischer Trottel.

Kommunikation äußert sich sowohl in Worten als auch in Taten. Letztere sind generell die wirkungsvollere Form. Nichts untergräbt den Wandel mehr als ein im Widerspruch zu den Inhalten der verbalen Kommunikation stehendes Verhalten der Schlüsselspieler.

Und doch geschieht genau dies immer wieder, auch in den renommiertesten Unternehmen.

Fehler Nr. 5: Zulassen, dass Hindernisse die neue Vision blockieren

Die Durchführung jeder Art bedeutenden Wandels setzt das Handeln einer großen Anzahl von Menschen voraus. Neue Initiativen versagen nur zu oft, 9wenn sich Mitarbeiter, obwohl sie die neue Vision begrüßen, durch große Hindernisse auf ihrem Weg entmachtet fühlen.

Oftmals existieren diese Hürden nur in den Köpfen der Menschen, und die Herausforderung besteht darin, sie davon zu überzeugen, dass keine externen Barrieren existieren. In vielen Fällen sind diese Hürden jedoch sehr real.

Manchmal liegen die Hürden in der Organisationsstruktur. Zu eng gefasste Stellenbeschreibungen können die Bemühungen, die Produktivität zu erhöhen oder den Kundenservice zu verbessern, verhindern. Vergütungen oder Systeme zur Leistungsbewertung können einen Menschen dazu zwingen, zwischen der neuen Vision und den Eigeninteressen entscheiden zu müssen. Am schlimmstem von allem sind aber die Vorgesetzten, die sich den neuen Umständen nicht anpassen wollen und Forderungen an Mitarbeiter stellen, die mit der Transformation inkonsistent sind.

Ein gut platzierter Blockierer kann so eine ganze Wandelbestrebung stoppen. Ralph tat genau dies. Seine Mitarbeiter bei einem großen Finanzdienstleister nannten ihn „den Fels“, ein Spitzname, den er als positiv empfand.

Ralph legte zwar sein Lippenbekenntnis zu den umfangreichen Veränderungsmaßnahmen seiner Organisation ab, aber er schaffte es nicht, sein Verhalten zu ändern oder seine Mitarbeiter für den Wandel zu gewinnen. Für ihn schienen die in der Vision des Wandels angesprochenen Ideen nicht lohnenswert. Er ließ das Personalgefüge unangetastet, obwohl es offensichtlich inkonsistent mit den neuen Idealen war. Mit diesen Aktionen wäre Ralph in jeder anderen Managementposition gescheitert.

Aber er hatte nicht irgendeine Managementposition. Er stand in seinem Unternehmen an dritter Stelle im Top-Management. Ralph handelte so, weil er nicht daran glaubte, dass seine Organisation großen Wandel brauchte, und weil er besorgt war, nicht gleichzeitig den Wandel und die erwarteten operativen Resultate erreichen zu können. Er kam mit diesem Verhalten durch, weil das Unternehmen keinerlei Erfahrungen im Umgang mit Personalproblemen im Top-Management besaß, weil einige Leute Angst vor ihm hatten und weil sein CEO keinen talentierten Kollegen verlieren wollte.

Das Resultat war desaströs. Manager der unteren Ebenen schlussfolgerten, dass das Top-Management sie mit ihrer Verpflichtung zur Transformation in die Irre geführt hatte, Zynismus wuchs und der ganze Aufwand verlief im Sande. Wann immer kluge und wohlmeinende Menschen den Abbau von Hürden vermeiden oder glauben, das nicht angehen zu müssen, demotivieren sie Mitarbeiter und verhindern den Wandel.

10Fehler Nr. 6: Die Unfähigkeit, schnelle Erfolge zu erzielen

Echte Transformation braucht Zeit. Komplexe Bemühungen, wie die Veränderung der Strategien oder die Restrukturierung des Geschäftes, sind dem Risiko ausgesetzt, an Momentum zu verlieren, wenn keine kurzfristigen Ziele erreicht werden und das dann auch nicht gewürdigt wird.

Die meisten Menschen wollen den langen Marsch nicht antreten, wenn sie nicht überzeugende Beweise innerhalb der ersten 6 bis 18 Monate dafür bekommen, dass am Ende der Reise die erwarteten Resultate stehen können. Ohne kurzfristige Erfolge geben zu viele Mitarbeiter auf oder treten in den aktiven Widerstand.

Kurzfristige Erfolge zu schaffen ist allerdings etwas anderes, als kurzfristige Erfolge zu erhoffen. Letzteres ist passiv, ersteres eine aktive Handlung.

In einer erfolgreichen Transformation suchen Manager aktiv nach Wegen, eindeutige Leistungsverbesserungen zu erzielen, die Ziele im jährlichen Planungssystem zu verankern, diese Ziele dann zu erreichen und die involvierten Personen mit Anerkennungen, Beförderungen oder monetär auszuzeichnen.

Bei Veränderungsinitiativen, die scheitern, fehlt es meist an systematischen Bestrebungen, eindeutige Erfolge innerhalb von 6 bis 18 Monaten zu garantieren. Entweder das Management nimmt an, dass positive Dinge passieren werden, oder es verzettelt sich so sehr in einer großen Vision, dass es sich nicht so sehr um kurzfristige Erfolge bemüht.

Nelson war von Natur aus eine Person der „großen Ideen“. Mithilfe zweier Kollegen entwickelte er ein Konzept, mit dem seine Lagerverwaltung neue Technologien nutzen konnte, um die Lagerkosten zu senken, ohne Bestandsausfälle zu riskieren. Die drei Manager schufteten erst ein Jahr und dann zwei weitere Jahre an dieser Vision.

Nach ihren eigenen Maßstäben erreichten sie Großartiges: Neue Bestandsüberwachungsmodelle wurden entwickelt, neue Hardware wurde gekauft, neue Software wurde geschrieben. Den Maßstäben von Skeptikern zufolge, besonders denen des Bereichscontrollers, der die Lagerbestände schnell sinken sehen wollte oder zumindest einen anderen finanziellen Vorteil erwartete, um die entstandenen Kosten auszugleichen, produzierten die Manager nichts. Als sie gefragt wurden, erklärten sie, dass große Veränderungen Zeit bräuchten. Der Controller akzeptierte dieses Argument zwei Jahre lang, bevor er das Projekt stoppte.

Menschen beschweren sich zwar oft darüber, dass sie gezwungen sind, kurzfristige Erfolge zu schaffen, aber unter den richtigen Umständen kann diese Art von Druck ein nützliches Element in einem Wandelprozess sein.

Sobald deutlich wird, dass Qualitätsprogramme oder kulturelle Veränderungsbestrebungen lange dauern werden, nimmt das Dringlichkeitsgefühl 11üblicherweise ab. Engagement für schnelle Erfolge kann helfen, Selbstgefälligkeiten zu reduzieren und detailliertes analytisches Denken zu fördern, um so transformierende Visionen zu klären oder zu revidieren.

In Nelsons Fall hätte dieser Druck einige kostensparende Kurskorrekturen und eine teilweise beschleunigte Umsetzung der neuen Bestandsüberwachungsmethode forcieren können. Mit ein paar kurzfristigen Erfolgen hätte dieses sehr sinnvolle Projekt überlebt und dem Unternehmen langfristig geholfen.

Fehler Nr. 7: Zu früh den Sieg erklären

Nach einigen Jahren harter Arbeit können Menschen dazu neigen, den Sieg in einer umfangreichen Wandelbestrebung bereits nach der ersten größeren Leistungsverbesserung zu feiern.

Das Feiern eines Sieges ist in Ordnung, jedoch zu suggerieren, dass die Arbeit beinahe komplett wäre, ist üblicherweise ein fürchterlicher Fehler. Bis der Wandel sich tief in einer Kultur verankert hat, was für ein gesamtes Unternehmen durchaus drei bis zehn Jahre dauern kann, sind neue Ansätze fragil und können sich jederzeit zurückentwickeln.

In der jüngsten Vergangenheit konnte ich Dutzende Wandelbestrebungen unter dem Motto Reengineering beobachten. In fast allen Fällen wurde der Sieg sofort nach der Durchführung des ersten größeren Projektes ausgerufen, und die teuren Consultants wurden bezahlt und nach Hause geschickt. Dies geschah, obwohl nur wenige, oder sogar keine Beweise für die Erreichung der gesetzten Ziele oder die Akzeptanz der neuen Ansätze durch die Mitarbeiter vorlagen.

Innerhalb weniger Jahre verschwanden die nützlichen Veränderungen langsam, aber stetig. In zwei der zehn Fälle ist es heute schwierig, überhaupt eine Spur der Reengineeringarbeit zu finden. Ich fragte kürzlich die Chefin einer Unternehmensberatung mit Schwerpunkt Reengineering, ob diese Fälle ungewöhnlich seien. Sie antwortete: „Leider nein. Für uns ist es enorm frustrierend, einige Jahre für etwas zu arbeiten, etwas zu schaffen, und dann zu sehen, wie die Bestrebungen frühzeitig beendet werden. In vielen Unternehmen ist der vorgegebene Zeitrahmen nicht ausreichend, diese Art der Arbeit zu Ende zu führen und zu verankern.

In den letzten Jahrzehnten habe ich genau dies auch bei Qualitätsprojekten, bei Unternehmensentwicklungsbestrebungen und bei vielen anderen Themen gesehen.

Die Probleme beginnen üblicherweise früh im Prozess: Das Dringlichkeitsgefühl ist nicht intensiv genug, die Führungskoalition ist nicht stark genug, die Vision ist nicht klar genug. Die frühzeitige Siegesfeier stoppt jedes Momentum. 12Am Ende übernehmen wieder die der Tradition verhafteten Kräfte das Ruder.

Ironischerweise resultiert dieses Problem oftmals aus der Kombination von idealistischen Visionären und sich selbst bedienenden Bewahrern. Bei ihrer Begeisterung über das erste klare Zeichen des Fortschritts gehen die Initiatoren von Bord. Dann folgen die Widerständler, die schnell eine Gelegenheit finden, die Bemühungen zu torpedieren. Nach der Siegesfeier interpretieren die Widerständler den Sieg als Zeichen dafür, dass der Krieg vorbei ist und die Truppen nach Hause geschickt werden können. Erschöpfte Truppen lassen sich vom Sieg überzeugen. Sobald sie zu Hause sind, wollen sie nicht mehr an die Front zurück. Schon kurz darauf kommt der Wandel zum Stillstand und irrelevante Traditionen kehren wieder ein.

Den Sieg zu früh zu erklären, ist, wie auf dem Weg zu einem sinnvollen Wandel in ein Schlagloch zu stolpern. Und aus unterschiedlichen Gründen stolpern sogar kluge Menschen nicht nur einfach in dieses Loch, sondern springen sogar mit beiden Füßen hinein.

Fehler Nr. 8: Das Versäumnis, Veränderungen fest in der Unternehmenskultur zu verankern

Final gilt es anzumerken, dass Wandel nur dann von Dauer sein kann, wenn er ganzheitlich die Art und Weise bestimmt, „wie wir die Dinge um uns herum machen“, wenn er den gesamten Kreislauf unserer Arbeits- und Unternehmenseinheit durchfließt.

Bis neue Verhaltensweisen in sozialen Normen und gemeinsamen Werten verankert sind, werden sie immer hinterfragt, sobald der Druck der Veränderungsbestrebungen nachlässt.

Zwei Faktoren sind hier besonders wichtig, wenn neue Ansätze in einem Unternehmen verankert werden sollen. Der erste Faktor ist der bewusste Versuch, Menschen aufzuzeigen, wie spezifische Verhaltensweisen und Einstellungen zu einer Leistungsverbesserung beigetragen haben. Wenn Menschen diesen Bezug alleine herstellen müssen, wie es oftmals der Fall ist, ziehen sie häufig falsche Schlüsse.

Zu der Zeit, als die charismatische Coleen Abteilungsleiterin war, fand im Unternehmen gerade ein Wandel statt. Viele Mitarbeiter verknüpften die Leistungsverbesserungen mit ihrem extravaganten Führungsstil anstatt mit der neu eingeführten Customer-First-Strategie, obwohl gerade diese Strategie die Ursache der Erfolge war. Im Ergebnis verankerte sich die Lektion als „Schätze extravagante Manager“ und nicht als „Schätze Deine Kunden“ in der Unternehmenskultur.

13Einen Wandel erfolgreich zu verankern setzt voraus, dass man sich genügend Zeit nimmt, sicherzustellen, dass die nächste Managementgeneration den neuen Ansatz auch tatsächlich verkörpert. Ein weit verbreiteter Fehler ist, dass Beförderungskriterien nicht angepasst werden und so Transformationsbemühungen niemals nachhaltig sein können. Eine einzige falsche Nachfolgeentscheidung im Top-Management kann ein ganzes Jahrzehnt harter Arbeit zunichte machen. Schlechte Nachfolgeentscheidungen an der Unternehmensspitze resultieren oftmals daraus, dass der Vorstand nicht integrierter Teil des Wandels war.

In drei von mir kürzlich gesehenen Fällen waren ausscheidende CEOs die Wegbereiter des Wandels. Obwohl sich ihre Nachfolger nicht gegen die Veränderungen stellten, waren sie trotzdem keine echten Leader des Wandels. Weil die Vorstände die Transformationen einfach nicht im Detail genau verstanden, konnten sie auch nicht das aus ihrer Nachfolgeentscheidung entstandene Problem erkennen. In einem Fall versuchte der ausscheidende Geschäftsführer erfolglos, seinen Vorstand von einem geeigneteren Kandidaten zu überzeugen, der den neuen Arbeitsstil des Unternehmens besser personifizierte. In den anderen Fällen widersetzten sich die CEOs den Wünschen ihrer Vorstände nicht, weil sie glaubten, dass man ihre eingeführten Veränderungen nicht mehr ungeschehen machen konnte. Aber sie irrten sich. Innerhalb weniger Jahre verschwanden bei allen drei Unternehmen die Ansätze neuer und starker Organisationen. Intelligente Menschen verpassen hier den Anschluss, wenn sie sich kulturellen Belangen gegenüber unsensibel verhalten. Ökonomisch orientierte Finanzleute und analytisch orientierte Ingenieure finden das Thema „Soziale Normen und Werte“ oftmals zu „weich“. Infolgedessen ignorieren sie die Kultur – auf eigene Gefahr.

Die acht Fehler

Keiner der Fehler, die bei einem Wandel auftreten können, würde in einer langsameren und weniger wettbewerbsintensiven Welt derart kostspielig sein. Die Fähigkeit, neue Initiativen schnell umzusetzen, ist in einem relativ stabilen oder kartellähnlichen Umfeld keine essenzielle Erfolgskomponente. Heute liegt das Problem für uns darin, dass Stabilität nicht länger die Norm ist. Die meisten Experten sind sich darin einig, dass die Wirtschaftswelt zukünftig volatiler werden wird.

Insofern kann jeder der acht weit verbreiteten Fehler ernsthafte Konsequenzen nach sich ziehen (siehe Abbildung 1). Neue Initiativen zu verlangsamen, unnötigen Widerstand herauf zu beschwören, Mitarbeiter endlos zu frustrieren und dringend benötigten Wandel manchmal im Keim zu ersticken – jeder dieser Fehler könnte ein Unternehmen entscheidend daran hindern, seine Produkte oder Dienstleistungen kundengerecht anzubieten.

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Abbildung 1: Acht typische Fehler beim Wandel und deren Konsequenzen

Budgets werden gekürzt, Menschen entlassen und die Mitarbeiter, die bleiben, unterliegen zwangsläufig starkem Stress. Die Auswirkungen auf Familien und Gemeinschaften können verheerend sein. Während ich dies schreibe, findet der durch diese verstörenden Aktivitäten erzeugte Angstfaktor seinen Weg in die Präsidentschaftspolitik.

Diese Fehler sind nicht unvermeidbar. Mit Bewusstsein und Fähigkeiten können sie vermieden oder zumindest stark minimiert werden. Der Schlüssel liegt im Verständnis darüber, warum sich Unternehmen notwendigem Wandel widersetzen, wie genau sich der mehrstufige Prozess, der die zerstörerische Trägheit überwindet, zusammensetzt und insbesondere, wie die Führung, die notwendig ist, um diesen Prozess sozial vertretbar durchzuführen, wesentlich mehr bedeutet als nur „gutes Management“.

15Kapitel 2: Erfolgreicher Wandel und die Kraft, die ihn antreibt

Menschen, die einen schwierigen, schmerzhaften und nicht sehr erfolgreichen Wandel durchlaufen haben, leiten daraus oft pessimistische und wütende Schlussfolgerungen ab. Sie halten die Motive derjenigen, die die Transformation antreiben, für verdächtig; sie befürchten, dass großer Wandel nicht ohne Blutvergießen möglich ist; sie fürchten, dass der Chef ein Monster oder der größte Teil des Managements inkompetent ist.

Nachdem ich zahlreiche Bemühungen beobachtet habe, bei denen die Unternehmensleistung durch Restrukturierung, Reengineering, Qualitätsprogramme, Fusionen und Akquisitionen, kulturelle Erneuerung, Verschlankung und strategische Neuausrichtung verbessert werden sollte, komme ich jedoch zu einem anderen Schluss.

Es gibt Belege dafür, dass die meisten öffentlichen und privaten Organisationen zu akzeptablen Kosten signifikant verbessert werden können, aber dass wir bei dem Versuch oft schreckliche Fehler machen, weil die Vergangenheit uns nicht ausreichend auf die Herausforderungen von Transformationen vorbereitet hat.

Die Globalisierung von Märkten und Wettbewerb

Meine Generation sowie die Generationen davor sind in einer Zeit aufgewachsen, in der Transformation nicht alltäglich war. In einem weniger globalen Wettbewerb und einem eher langsamen Wirtschaftsumfeld, wo Stabilität die Norm war, herrschte das Motto: „Wenn es nicht kaputt ist, dann kümmere Dich auch nicht darum.“ Wechsel fand inkrementell und selten statt. Wenn Sie 1960 einem typischen Kreis von Managern gesagt hätten, dass Geschäftsleute heutzutage über einen Zeitraum von 18 bis 36 Monaten versuchen, die Produktivität um 20 bis 50 % zu erhöhen, die Qualität um 30 bis 100 % zu verbessern und die Entwicklungszeit für neue Produkte um 30 bis 80 % zu reduzieren, dann hätte man Sie ausgelacht. Das Ausmaß an Wandel in einer so kurzen Zeit hätte schlicht deren persönliche Vorstellungskraft gesprengt.

Die Herausforderungen, denen wir uns heute stellen, sind anders. Eine globalisierte Wirtschaft schafft sowohl neue Risiken als auch neue Chancen für alle. Dies zwingt Unternehmen, dramatische Verbesserungen durchzuführen, nicht nur um zu konkurrieren und zu prosperieren, sondern um einfach 16nur zu überleben. Die Globalisierung wiederum wird von breiten und starken Kräften angetrieben, die mit technologischem Wandel, internationaler Wirtschaftsintegration, gesättigten Inlandsmärkten in den Industrienationen und dem weltweiten Zusammenbruch des Kommunismus zusammenhängen (siehe Abbildung 2).

Niemand ist gegen diese Kräfte immun. Selbst Unternehmen, die nur in kleinen geografischen Regionen agieren, spüren die Auswirkungen der Globalisierung. Der Einfluss nimmt manchmal einen indirekten Weg: Toyota schlägt General Motors, General Motors entlässt daraufhin Personal, die Mitarbeiter müssen ihre Gürtel enger schnallen und verlangen einen günstigeren Service bei der chemischen Reinigung um die Ecke. In ähnlicher Weise werden auch Schulsysteme, Krankenhäuser, karitative und staatliche Einrichtungen gezwungen, sich zu verbessern. Das Problem hierbei ist, dass die meisten Manager mit solchen Situationen keine Erfahrungswerte gesammelt haben, auf die sie zurückgreifen können.

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Abbildung 2: Wirtschaftliche und soziale Kräfte, die einen tief greifenden Unternehmenswandel hervorrufen

17Aufgrund der Erfahrungen vieler Unternehmen während der letzten beiden Jahrzehnte haben manche die Schlussfolgerung gezogen, dass Organisationen nicht in der Lage sind, sich sehr stark zu verändern, und dass wir diese Tatsache einfach akzeptieren müssen. Diese Einschätzung wird jedoch von mehreren Erfolgsgeschichten der letzten Jahre widerlegt. Einige Organisationen haben herausgefunden, wie neue Strategien, Akquisitionen, Reengineering, Qualitätsprogramme und Restrukturierung hervorragend genutzt werden können. Sie haben die in Kapitel 1 beschriebenen Fehler des Wandels minimiert. Dabei konnten sie den Konkurs abwenden, sich von einem Spieler im Mittelfeld zum Industrieführer entwickeln oder den Vorsprung gegenüber ihren stärksten Konkurrenten weiter ausbauen.

Eine nähere Betrachtung dieser Erfolgsgeschichten zeigt zwei wichtige Muster. Zum einen scheint sinnvoller Wandel mit einem mehrstufigen Prozess zusammenzuhängen, der genügend Kraft und Motivation freisetzt, um sämtliche Trägheit zu überwinden. Zum anderen kann dieser Prozess nicht effektiv eingesetzt werden, solange er nicht durch erstklassige Führung gesteuert wird, nicht nur durch exzellentes Management – ein wichtiger Unterschied, den wir im Rahmen der Institutionalisierung tief greifenden Wandels wiederholt aufgreifen werden.

Der Acht-Stufen-Prozess des Wandels

Die Methoden, die in erfolgreichen Transformationen genutzt werden, basieren alle auf einer grundlegenden Einsicht: Tief greifender Wandel kann aufgrund einer langen Liste von Gründen leicht scheitern. Auch wenn ein objektiver Beobachter klar erkennen kann, dass die Kosten zu hoch oder Produkte nicht gut genug sind oder die Veränderung der Kundenanforderungen nicht adäquat adressiert wird, kann notwendiger Wandel durch nach innen gewandte Kulturen, lähmende Bürokratie, engstirnige Politik, ein niedriges Vertrauensniveau, einen Mangel an Zusammenarbeit, arrogante Einstellungen, Führungsdefizite im mittleren Management und die grundsätzliche menschliche Angst vor dem Unbekannten stagnieren. Um effektiv zu sein, muss eine Methode, die darauf abzielt, Strategien zu verändern, Prozesse zu reorganisieren oder Qualität zu optimieren, diese Hindernisse angemessen adressieren.

Alle schematischen Darstellungen tendieren dazu, die Realität zu stark zu vereinfachen. Ich biete trotzdem mit einiger Vorsicht Abbildung 3 an. Die Abbildung fasst die für einen erfolgreichen Wandel notwendigen Schritte zusammen. Der Prozess besteht aus acht Stufen, von denen jede mit einem der acht grundsätzlichen Fehler, durch die Transformationsbemühungen verhindert werden können, im Zusammenhang steht. Die einzelnen Schritte lauten: Erzeugung eines Dringlichkeitsgefühls, Aufbau einer Führungskoalition, 18Entwicklung von Vision und Strategien, Kommunikation der Vision des Wandels, Verantwortung auf eine breite Basis stellen, schnelle Erfolge erzielen, diese Erfolge konsolidieren und neuen Wandel generieren sowie die neuen Ansätze in der Kultur verankern.

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Abbildung 3: Der Acht-Stufen-Prozess für die Umsetzung tief greifenden Wandels

19Die ersten vier Schritte im Transformationsprozess helfen, den verhärteten Status quo aufzutauen. Wäre Wandel leicht zu verwirklichen, dann wären diese ganzen Anstrengungen nicht nötig. Die Phasen 5 bis 7 führen daraufhin neue Verhaltensweisen ein. Der letzte Schritt verankert den Wandel innerhalb der Unternehmenskultur. Menschen, die unter dem Druck stehen, Ergebnisse zu liefern, neigen in einem tief greifenden Wandel dazu, einige Phasen auszulassen.

Eine intelligente und fähige Führungskraft erzählte mir, dass ihre Reorganisationsbestrebungen von den meisten Mitgliedern ihres Managementteams abgeblockt wurden. Unser Gespräch verlief in verkürzter Form wie folgt:

Glauben Deine Leute, dass der Status quo nicht akzeptabel ist?“, fragte ich. „Empfinden sie wirklich eine Dringlichkeit?

Einige ja. Aber viele wahrscheinlich nicht.

Wer treibt diesen Wandel?

Ich vermute, dass ich der Haupttreiber bin“, gab er zu.

Hast Du eine fesselnde Vision der Zukunft und Strategien, die auch erklären, warum diese Reorganisation notwendig ist und aufzeigen, wie die Vision erreicht werden kann?

Ich denke schon,“ sagte er, „aber ich bin mir nicht sicher, wie überzeugend sie ist.

Hast Du jemals versucht, die Vision und die Strategien in kurzer Form zu Papier zu bringen?

Nicht wirklich.

Verstehen und glauben Deine Manager an die Vision?

Ich denke, dass drei oder vier Schlüsselspieler dabei sind“ sagte er, räumte jedoch ein, „aber ich wäre nicht überrascht, wenn viele andere das Konzept nicht verstehen oder nicht ganz daran glauben.

Nach dem Sprachgebrauch der Abbildung 3 war diese Führungskraft mit ihrer Reorganisationsidee sofort zu Phase 5 des Transformationsprozesses gesprungen. Da sie die anderen Schritte größtenteils ignoriert hatte, lief sie zwangsläufig gegen eine Mauer des Widerstandes. Hätte die Führungskraft ihren Mitarbeitern die neue Struktur eingepaukt – was sie hätte tun können –, dann hätten die Mitarbeiter wahrscheinlich unzählige kreative Möglichkeiten gefunden, um die erwünschten Verhaltensänderungen zu untergraben. Weil das die Führungskraft genau wusste, saß sie frustriert in einer Sackgasse. Die Geschichte ist jedoch nicht ungewöhnlich.

Menschen versuchen oft, eine Organisation zu verändern, indem sie nur die Schritte 5, 6 und 7 durchführen, insbesondere wenn es scheint, dass eine einzige Entscheidung – Reorganisation, Akquisition, Kündigung – den Großteil des notwendigen Wandels bewirkt. Oder sie durchlaufen die Stufen, ohne die Aufgabe jemals zu beenden. Oder es gelingt ihnen nicht, die vorangegangenen 20Schritte zu festigen, sodass das Gefühl für die Dringlichkeit wieder verschwindet oder die Führungskoalition auseinanderbricht. Die Wahrheit ist, dass ohne die Aufwärm- oder Auftauaktivitäten (Schritte 1 bis 4) keine ausreichend fundierte Basis für das weitere Vorgehen geschaffen werden kann. Und ohne die Durchführung der Phase 8 wird man nie das Ziel erreichen und den Wandel dauerhaft verankern.

Die Bedeutung der Reihenfolge

Erfolgreicher Wandel jeden Ausmaßes durchläuft alle acht Phasen, in der Regel in der in Abbildung 3 gezeigten Reihenfolge. Obwohl normalerweise in verschiedenen Phasen gleichzeitig gearbeitet wird, schafft das Auslassen eines einzigen Schrittes oder das Vorpreschen ohne solide Basis fast immer Probleme.

Kürzlich fragte ich die zwölf Top-Manager der Niederlassung eines großen Industrieunternehmens nach der Beurteilung ihres Fortschritts in ihrem Veränderungsprozess. Sie schätzten, dass sie zu 80 % mit Phase 1 abgeschlossen hatten, zu 40 % mit Phase 2, zu 70 % mit Phase 3, zu 60 % mit Phase 4, zu 40 % mit Phase 5, zu 10 % mit Phase 6 und zu 5 % mit Phase 7 und 8. Sie sagten auch, dass der gute Fortschritt der letzten 18 Monate sich verlangsamte, was sie zunehmend frustrierte. Ich fragte, was ihrer Meinung nach das Problem sei. Nach langen Diskussionen kamen sie immer wieder auf die „Unternehmenszentrale“ zurück. Schlüsselspieler der Unternehmenszentrale, einschließlich des CEO, waren nicht in ausreichendem Maße Teil der Führungskoalition. Daher schätzten die Top-Manager, dass nur 40 % der Arbeit in Phase 2 durchgeführt worden war. Weil übergeordnete Prinzipien nicht entschieden wurden, war es für sie beinahe unmöglich, sich auf die detaillierten Strategien in Phase 3 zu fokussieren.

Ihre Kommunikation der Vision (Phase 4) wurde ihrer Meinung nach durch Nachrichten aus der Unternehmenszentrale, die von den Mitarbeitern als inkonsistent mit der neuen Richtung interpretiert wurden, unterhöhlt. Auf ähnliche Weise wurden Versuche, die Verantwortung auf eine breite Basis zu stellen (Phase 5), sabotiert. Ohne eine klare Vision war es schwierig, schnelle Erfolge zu erzielen (Phase 6). Indem sie weitermachten, ohne erfolgreich die Probleme der Phase 2 aus dem Weg zu räumen, hatten sie eine Zeit lang die Illusion von Fortschritt. Aber ohne solide Basis begann das ganze Vorhaben schließlich zu wanken.

Normalerweise überspringen Menschen aufgrund von Leistungsdruck einzelne Phasen. Sie erfinden auch neue Reihenfolgen, weil diesen scheinbar eine vernünftige Logik zugrunde liegt. Nach einem guten Start in die Dringlichkeitsphase laufen alle Wandelbestrebungen parallel in mehreren Phasen. Eine von Abbildung 3 abweichende Reihenfolge funktioniert jedoch nur selten 21gut. Der Handlungsverlauf entwickelt sich nicht natürlich. Er wirkt gestellt, gezwungen oder mechanistisch und erzeugt nicht das notwendige Momentum, um die enorm starken Trägheitsquellen zu überwinden.

Projekte innerhalb der Projekte

Die meisten großen Veränderungsinitiativen bestehen aus vielen kleineren Projekten, die ebenfalls den Mehrstufenprozess durchlaufen. Daher kann es vorkommen, dass der gesamte Prozess bereits zur Hälfte durchlaufen ist, einige kleine Teile also bereits zu Ende geführt wurden, jedoch neue Projekte erst begonnen werden. Diese komplexe Beziehung gilt es zu beachten.

Ein typisches Beispiel für ein mittelständisches bis großes Telekommunikationsunternehmen: Das Gesamtprojekt, das darauf abzielte, die Wettbewerbssituation des Unternehmens entscheidend zu verbessern, dauerte sechs Jahre. Im dritten Jahr konzentrierte sich die Transformation auf die Schritte 5, 6 und 7. Ein relativ kleines Reengineering-Projekt näherte sich zu diesem Zeitpunkt bereits dem Abschluss der Phase 8. Eine Restrukturierung der Personalgruppen begann gerade und befand sich hauptsächlich in den Phasen 1 und 2. Ein Qualitätsprogramm lief parallel ab, lag aber hinter Plan, während einige kleine Schlussinitiativen noch nicht gestartet wurden. Frühe Ergebnisse waren bereits nach sechs bis zwölf Monaten sichtbar, doch das entscheidende Resultat zeigte sich erst gegen Ende des Gesamtprojektes.

Wenn sich eine Organisation in einer Krise befindet, ist das erste Veränderungsprojekt innerhalb des großen Wandelprozesses oft das „Retten des Schiffs“ oder der Versuch eines Turnaround. Über einen Zeitraum von 6 bis 24 Monaten handeln Menschen ganz gezielt, um den negativen Cashflow zu stoppen und die Organisation am Leben zu erhalten. Das darauf folgende Veränderungsprojekt kann mit einer neuen Strategie oder einem Reengineering verbunden sein. Darauf könnten größere strukturelle und kulturelle Veränderungen folgen. Jede dieser Maßnahmen durchläuft alle acht Stufen des Wandlungsprozesses und jede spielt in der übergeordneten Transformation eine Rolle.

Da wir hier über viele unterschiedliche Schritte und Projekte sprechen, ist das Resultat oft komplex, dynamisch, durcheinander und beängstigend. Am Anfang scheitern fast immer diejenigen, die versuchen, tief greifenden Wandel mit einfachen, linearen und analytischen Prozessen herbeizuführen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass eine Analyse nicht hilfreich ist. Sorgfältiges Abwägen ist essenziell, aber es gehört wesentlich mehr dazu, als (a) Daten zu sammeln, (b) Optionen zu identifizieren, (c) zu analysieren und (d) auszuwählen.

22Frage: Warum würde dann ein intelligenter Mensch trotzdem so stark auf einfache, lineare und analytische Prozesse vertrauen?

Antwort: Weil er oder sie gelernt hat, zu managen, aber nicht zu führen.

Management versus Führung

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Abbildung 4: Management versus Leadership

Management ist eine Reihe von Prozessen, die ein kompliziertes System von Menschen und Technologien reibungslos laufen lässt. Zu den wichtigsten Managementaspekten gehören Planung, Budgetierung, Organisation, Personalbesetzung, Controlling und Problemlösung. Führung besteht aus einer Reihe von Prozessen, die Unternehmen in erster Linie gestalten oder sie bedeutenden Veränderungen anpassen. Leadership definiert, wie die Zukunft aussehen sollte, bringt Menschen hinter diese Vision und inspiriert sie zur Umsetzung trotz aller Hindernisse (siehe Abbildung 4). Diese Unterscheidung ist für unseren Zweck absolut notwendig: Ein genauer Blick auf die Abbildungen 3 und 4 zeigt, dass erfolgreiche Transformation zu 70 bis 90 % auf Führung und nur zu 10 bis 30 % auf Management basiert. Allerdings 23haben aus historischen Gründen viele Organisationen heutzutage so gut wie kein Leadership. Und trotzdem denkt jeder, dass es sich bei diesem Problem um ein Management des Wandels handelt.

In großen Teilen des 20. Jahrhunderts, als zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit unzählige Unternehmen gegründet wurden, verfügten wir nicht über genügend kompetente Manager, um all diese Bürokratien am Laufen zu halten. Also entwickelten viele Unternehmen und Universitäten Managementprogramme und Hunderttausende von Menschen wurden ermuntert, Management „on the job“ zu erlernen. Es wurde ihnen jedoch wenig über Leadership beigebracht. Bis zu einem bestimmten Grad wurde der Fokus auf Management gelegt, da es einfacher zu lehren ist als Leadership. Ausschlaggebender jedoch war, dass das Thema „Management“ Priorität auf der Agenda des 20. Jahrhunderts hatte – denn es wurde gebraucht. Jeder Unternehmer oder Firmengründer, der eine Führungspersönlichkeit war, brauchte Hunderte von Managern, um sein ständig wachsendes Imperium zu leiten.

Aus heutiger Sicht ist es bedauerlich, dass dieser Fokus häufig in Unternehmenskulturen institutionalisiert worden ist, was dazu führte, dass Beschäftigte entmutigt werden, Leadership zu erlernen. Ironischerweise ist der vergangene Erfolg für gewöhnlich die Ursache für dieses Verhalten. Das Syndrom, so wie ich es oft beobachten konnte, äußert sich folgendermaßen: Erfolg schafft eine gewisse Marktdominanz, die wiederum für weiteres Wachstum sorgt. Nach einer Weile wird es zur größten Herausforderung, das wachsende Unternehmen unter Kontrolle zu behalten. Die Aufmerksamkeit wendet sich nach innen und Managementkompetenzen werden gehegt. Mit der starken Betonung auf Management und nicht auf Leadership nehmen Bürokratie und Innensicht überhand. Aber wegen des fortschreitenden, meist auf Marktdominanz basierenden Erfolgs wird das Problem oft nicht adressiert und eine ungesunde Arroganz entsteht. Alle diese Aspekte erschweren schließlich jede Transformationsbestrebung (siehe Abbildung 5).

Arrogante Manager tendieren dazu, ihre eigene Leistung und ihre Wettbewerbsposition zu überschätzen, sie hören schlecht zu und lernen nur langsam. Mitarbeiter, die in erster Linie nach innen sehen, können Schwierigkeiten haben, die eigentlichen Bedrohungen und Chancen zu erkennen. Bürokratische Kulturen unterdrücken diejenigen, die auf verändernde Bedingungen reagieren wollen. Das Fehlen von Führung sorgt dafür, dass keine Kraft innerhalb dieser Organisationen übrig bleibt, um sie aus dem Morast zu ziehen. Die Kombination von Kulturen, die sich dem Wandel widersetzen, und Managern, die nicht gelernt haben zu führen, ist verheerend.

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Abbildung 5: Die Entstehung einer durch zu viel Management und zu wenig Leadership geprägten Unternehmenskultur

Die in Kapitel 1 beschriebenen Fehler sind unter diesen Umständen beinahe unvermeidlich. Die Quellen der Selbstgefälligkeit werden in den seltensten Fällen adäquat adressiert, weil Menschen, die ihr ganzes Leben lang nur 25dazu angehalten wurden, das vorhandene System wie ein reibungslos funktionierendes Uhrwerk in Gang zu halten, darin keine Dringlichkeit sehen. Eine starke Führungskoalition mit ausreichenden Führungskompetenzen wird nicht durch Menschen geschaffen, die gelernt haben, in Hierarchien und Managementkategorien zu denken. Visionen und Strategien werden nicht durch Individuen formuliert, die nur gelernt haben, mit Plänen und Budgets umzugehen. Sie investieren nie genügend Zeit und Energie in die Kommunikation der neuen Richtung an eine ausreichende Anzahl von Menschen – was im Hinblick auf eine Arbeitsweise, bei der die mündliche Anordnung das letzte Kommunikationsmittel darstellt, nicht überrascht. Es wird zugelassen, dass Strukturen, Systeme, fehlende Ausbildung oder Vorgesetzte Mitarbeiter demotivieren, die helfen wollen, die Vision zu implementieren – dies ist voraussehbar, wenn man bedenkt, wie wenig die meisten Manager gelernt haben, Verantwortung zu übertragen. Leute, die gelernt haben, in kurzen Zeitzyklen, in Stunden, Tagen oder Wochen, aber nicht in Jahren zu denken, rufen viel zu schnell den Sieg aus. Neue Ansätze werden selten von Menschen in der Unternehmenskultur verankert, die gelernt haben, in formellen Strukturen zu denken und nicht in Kulturen. Dies resultiert darin, dass teure Akquisitionen keine der erhofften Synergien schaffen, dramatische Verschlankungen die Kosten nicht unter Kontrolle bringen, große Reengineeringprojekte zu lange brauchen und zu wenig Vorteile bringen und gewagte neue Strategien nie gründlich implementiert werden.

Mitarbeiter großer Traditionsunternehmen haben aufgrund mangelnder Führung, gepaart mit Arroganz, Engstirnigkeit und Bürokratie, oftmals Schwierigkeiten, einen Transformationsprozess zu starten. In solchen Organisationen, in denen ein Veränderungsprogramm von zu viel Management und zu wenig Führung dominiert wird, existiert mehr Druck als Motivation. Jemand entwickelt einen Plan, übergibt ihn seinen Mitarbeitern und zieht sie dann bei Fehlern zur Verantwortung. Oder jemand trifft alleine eine Entscheidung und erwartet, dass andere sie akzeptieren. Das Problem bei diesem Vorgehen besteht darin, dass es sehr schwierig ist, die großen Veränderungen, die heutzutage notwendig sind, um die Unternehmensleistung zu verbessern, mit nackter Gewalt durchzusetzen. Transformation setzt Opferbereitschaft, Hingabe und Kreativität voraus und nichts davon lässt sich mit Gewalt erzwingen. Veränderungsmaßnahmen, bei denen zu viel Management und zu wenig Führung angewendet wird, tendieren dazu, die gesunde Unordnung von Transformationen zu eliminieren. Acht Stufen werden auf drei reduziert. Sieben Projekte werden in zwei konsolidiert. Anstatt Hunderte oder Tausende Menschen einzubeziehen, wird die Initiative von einer kleinen Gruppe durchgeführt. Das Ergebnis ist fast immer sehr enttäuschend.

Es ist wichtig, den Wandel zu managen. Ohne kompetentes Management kann der Transformationsprozess außer Kontrolle geraten. Aber für die 26meisten Organisationen ist die Führung des Wandels die größere Herausforderung. Nur Leadership kann die vielen Quellen unternehmerischer Trägheit durchdringen. Nur Leadership kann die Handlungen motivieren, die notwendig sind, um wesentliche Verhaltensänderungen herbeizuführen. Nur Leadership kann den Wandel in der Organisationskultur verankern.

Wie in den folgenden Kapiteln verdeutlicht wird, beginnt diese Führung meist mit ein oder zwei Personen. Aber selbst in den kleinsten Organisationen muss sich diese Anzahl mit der Zeit erhöhen. Die Lösung der Probleme des Wandels ist nicht ein übermenschliches Individuum, das Tausende Mitarbeiter in gehorsame Anhänger verwandelt. Moderne Organisationen sind viel zu komplex, um durch einen einzelnen Giganten transformiert zu werden. Viele Menschen müssen bei dieser Führungsaufgabe mitwirken, nicht durch die Imitation von Persönlichkeiten wie Winston Churchill oder Martin Luther King, Jr., sondern indem sie die Führungsaufgabe in ihrem Bereich sinnvoll unterstützen.

Die Zukunft

Das Problem des Wandels innerhalb der Organisationen wäre weniger besorgniserregend, wenn die Wirtschaftswelt sich in Kürze stabilisieren oder wenigstens beruhigen würde. Zuverlässige Quellen jedoch belegen das Gegenteil: Die Geschwindigkeit der Veränderung wird sich beschleunigen und der Druck auf die Organisationen, sich zu verändern, wird in den nächsten Jahrzehnten deutlich größer werden. Wenn das der Fall ist, so ist die einzige rationale Lösung darauf, mehr über erfolgreichen Wandel zu lernen und dieses Wissen an eine ständig wachsende Gruppe von Menschen weiterzugeben.

Meiner Erfahrung nach besteht die Hilfe für Individuen, um die Transformation besser zu verstehen, aus zwei Komponenten. Beide werden im weiteren Verlauf dieses Buches detaillierter behandelt werden. Die erste Komponente bezieht sich auf die verschiedenen Schritte innerhalb des mehrstufigen Prozesses. Die meisten von uns müssen noch viel darüber lernen, was funktioniert und was nicht, was die natürliche Reihenfolge von Ereignissen ist und wo selbst sehr kompetente Menschen Schwierigkeiten haben. Die zweite Komponente bezieht sich auf die treibende Kraft hinter dem Prozess: Leadership, Leadership und noch mehr Leadership.

Wenn Sie ernsthaft glauben, dass Sie und andere relevante Mitarbeiter in Ihrer Organisation bereits fast alles wissen, was notwendig ist, um eine notwendigen Wandel einzuleiten, und Sie sich deshalb ganz logisch wundern, warum Sie sich die Zeit nehmen sollten, auch den Rest dieses Buches zu lesen, schlage ich Ihnen vor, einmal Folgendes zu überdenken: Was würden wir finden, wenn wir alle Dokumente, die in Ihrer Organisation in den letzten 27zwölf Monaten produziert wurden, nach zwei Phrasen durchsuchen würden: „den Wandel managen“ und „den Wandel führen“? Wir würden uns Memos, Protokolle, Newsletter, Jahresberichte, Projektberichte, Pläne usw. anschauen. Dann würden wir die Ergebnisse in Prozent umsetzen – X% der Hinweise beziehen sich auf „den Wandel managen“ und Y% beziehen sich auf „den Wandel führen“. Natürlich wären die Ergebnisse dieser Analyse nichts weiter als bedeutungslose Semantik. Und doch würden sie vielleicht die Art und Weise reflektieren, wie Ihre Organisation Wandel begreift. Und vielleicht hat dies etwas damit zu tun, wie schnell Sie die Qualität Ihrer Produkte oder Dienstleistungen verbessern, die Produktivität erhöhen, Kosten verringern und Innovationen vorantreiben.

29Teil II:
Der Acht-Stufen-Prozess

31Kapitel 3: Ein Gefühl für Dringlichkeit erzeugen

Wenn man einen über 30-Jährigen nach der Schwierigkeit fragt, einen tief greifenden Wandel in einem Unternehmen herbeizuführen, dann wird die Antwort wahrscheinlich Ähnlichkeit mit folgender Aussage haben: „Es ist sehr, sehr schwer.“ Die meisten von uns verstehen es noch immer nicht. Wir nutzen die richtigen Wörter, aber tief in unserem Inneren unterschätzen wir die Größe der Aufgabe, insbesondere den ersten Schritt: ein Dringlichkeitsgefühl erzeugen.

Ob ein Unternehmen, das am Boden liegt, wieder aufgebaut wird, ein Durchschnittsunternehmen zum Marktführer wird oder ein führendes Unternehmen den Abstand zum Wettbewerb vergrößert: Diese Arbeit erfordert von allen Beteiligten ein großes Maß an Kooperation, Initiative und die Bereitschaft, Opfer zu bringen. In einer Organisation mit 100 Mitarbeitern müssen wenigstens zwei Dutzend von ihnen mehr als ihre normale Pflicht erfüllen, um signifikanten Wandel zu erzeugen. In einer Organisation mit 100 000 Mitarbeitern müssten über 15 000 mehr leisten.

Die Erzeugung eines Dringlichkeitsgefühls ist ausschlaggebend, um die notwendige Kooperationsbereitschaft zu erhalten. Ist das Maß an Selbstgefälligkeit hoch, enden Transformationen in der Regel in einer Sackgasse, da nur wenige Mitarbeiter überhaupt Interesse an einer Auseinandersetzung mit dem Problem des Wandels haben. Bei geringer Dringlichkeit wird es schwierig, eine Gruppe mit genügend Kraft und Glaubwürdigkeit zusammenzustellen, die in der Lage ist, den Prozess zu leiten oder Schlüsselspieler davon zu überzeugen, die notwendige Zeit in die Erstellung und Kommunikation einer Vision des Wandels zu investieren. In den seltenen Fällen, in denen eine motivierte Gruppe inmitten einer Umgebung existiert, die vor Überheblichkeit nur so strotzt, können ihre Mitglieder vielleicht die grundsätzliche Richtung für den Wandel erkennen, reorganisieren und Personaleinsparungen vornehmen. Sollten sie ein Unternehmen führen, so könnten sie sogar Akquisitionen durchführen und neue Anreizsysteme installieren. Aber früher oder später, egal wie viel Druck sie ausüben, egal wie sehr sie auch drohen, wird die Veränderung wahrscheinlich weit vor der Ziellinie zum Stillstand kommen, wenn nicht auch viele andere Mitarbeiter die gleiche Dringlichkeit empfinden. Menschen werden zahllose ausgeklügelte Wege finden, um ihre Kooperation an einem Prozess zu verweigern, den sie für entbehrlich und nicht durchdacht halten.

32Selbstgefälligkeit: Ein Beispiel

Ein großes globales Pharma-Unternehmen war in den letzten Jahren mit mehr Herausforderungen als üblich konfrontiert. Weder die Verkaufszahlen noch die Gewinnsteigerungen entsprachen den Hoffnungen und Erwartungen. Das Unternehmen bekam eine schlechte Presse, insbesondere, nachdem eine kostenintensive Entlassungswelle die Moral der Mitarbeiter weiter erschütterte. Der Aktienkurs steht heute nicht viel höher als vor sechs Jahren. Reklamationen über die Produkte sind seit Mitte der 80er Jahre gestiegen, und ein wichtiger Kunde reagiert zunehmend negativ auf das Unternehmen. Einige institutionelle Investoren haben damit gedroht, beträchtliche Anteile abzustoßen, was den Aktienkurs um weitere 5 oder sogar 10 % reduzieren könnte. Das Unternehmen hat eine stolze Geschichte und fuhr in der Vergangenheit beträchtliche Gewinne ein, was die derzeitige Situation umso deprimierender erscheinen lässt.

Aufgrund des heftigen Wettbewerbs würde man in der Firmenzentrale vielleicht Szenen wie in einem Kriegsfilm erwarten, mit War Rooms, Generälen, die alle zwei Minuten Befehle brüllen, Tausenden von Truppen, die Tag und Nacht in Alarmbereitschaft stehen und heftige Attacken gegen den Feind planen. Aber ein Besuch bei dem Unternehmen zeigt, dass nichts von alledem der Fall ist. Sichtbare War Rooms existieren nicht. Generäle geben mit einer Geschwindigkeit Befehle, die Baseball als einen schnellen Sport erscheinen lässt. Viele Leute zeigen keinerlei Anzeichen, dass sie acht Stunden lang in Alarmbereitschaft sind, geschweige denn 24 Stunden. Es herrscht wenig Bewusstsein für den Feind oder gar für die Tatsache, dass ihnen die Konkurrenz bereits im Nacken sitzt. Es gibt keinen Fokus auf eine dringende Mission. Angriffe auf den Rivalen werden oft mit Platzpatronen durchgeführt. Die kräftigen Attacken mit tödlicheren Waffen sind nach innen gerichtet: Arbeiter gegen Manager, Manager gegen Arbeiter, Vertrieb gegen Produktion ... bis zum Erbrechen.

Unter vier Augen gibt jeder Mitarbeiter bereitwillig zu, dass es Probleme gibt. Doch dann kommt das „aber“. Aber die ganze Industrie hat diese Probleme. Aber es geht doch voran. Aber das Problem liegt doch nicht an uns, sondern an der anderen Abteilung. Aber es gibt nichts, was ich noch tun könnte, mein Chef ist doch so dickköpfig.

Besuchen Sie ein typisches Managementmeeting in diesem Unternehmen, so werden Sie sich fragen, ob all die Fakten, die Sie über Umsätze, Gewinne, Aktienpreise, Kundenbeschwerden, Wettbewerbssituation und Moral dieses Unternehmens gesammelt haben, nicht falsch sind. In diesen Meetings wird selten auf negative Kennzahlen eingegangen. Das Tempo ist meistens gemächlich. Die diskutierten Punkte sind oft von marginaler Wichtigkeit. Das Energieniveau ist selten hoch. Hitzige Diskussionen entstehen nur, wenn ein Manager versucht, einem anderen die Ressourcen 33streitig zu machen, oder jemand die Schuld auf einen anderen abwälzen möchte. Am unglaublichsten ist jedoch, dass ständig jemand ernsthaft Vorträge über die gute Lage hält. Nach zwei Tagen in diesem Unternehmen fragen Sie sich, ob Sie verrückt sind.

In dieser vor Selbstgefälligkeit strotzenden Organisation sind Veränderungsinitiativen Totgeburten. In einer Besprechung schlug jemand vor, die Entwicklungszeiten zu verkürzen, da die gegenwärtigen zu lang seien und dem Unternehmen zunehmend schaden würden. Nach nur 20 Minuten driftete die Diskussion völlig ab und es wurde nicht weiter über diesbezügliche Maßnahmen gesprochen. Jemand anderes schlug einen neuen Ansatz für die IT vor, aber nach nur kurzer Zeit wurden das IT-Team und sein antiquiertes System bereits wieder hoch gelobt. Selbst wenn der CEO eine Idee für den Wandel vorbringt, so scheint dieser Vorschlag schnell im Treibsand der Selbstgefälligkeit zu versinken.

Details

Seiten
158
ISBN (eBook)
9783800646159
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2013 (Februar)
Schlagworte
Changemanagement Führung Management Unternehmensführung Unternehmenswandel

Autoren

  • John P. Kotter (Autor:in)

  • Werner Seidenschwarz (Übersetzung)

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Titel: Leading Change